Vito Zuraj

Insideout für zwei Vokalsolisten und Ensemble zu „Connection“ von Manfred Wakolbinger

Vito Zuraj – Foto: Tomo Brejc

Vito Žuraj (*1979) studierte Komposition in Ljubljana bei Marko Mihevc, in Dresden bei Lothar Voigtländer und in Karlsruhe bei Wolfgang Rihm. 2009/10 war er Stipendiat der Internationalen Ensemble Modern Akademie, 2011 Teilnehmer des IEMA-Kompositionsseminars und 2010-12 Stipendiat der Akademie Musiktheater heute der Deutsche Bank Stiftung. Kooperationen u.a. mit Ensemble Modern, Ensemble Recherche, Talea Ensemble, Theater Bielefeld, ExperimentalStudio des SWR, RIAS Kammerchor, RSO Stuttgart und hr-Sinfonieorchester. Aufführungen u.a. bei Frankfurter Positionen 2013, Milano Musica 2012, Royaumont 2011, Acanthes 2010, Movement Saarbrücken 2009/10, Heidelberger Frühling 2008, und Takefu Festival 2007 in Japan. Erster Preis beim 57. Kompositionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart 2012, Anerkennungspreis der Art Mentor Foundation Lucerne 2010, Orchesterpreis der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken 2009 und Projektstipendium der Hanne Darboven Stiftung 2009. Vito Žuraj ist Lehrbeauftragter für Instrumentation und Gregorianik an der Hochschule für Musik Karlsruhe. In Vorbereitung ist die Veröffentlichung seiner Portrait-CD beim Deutschen Musikrat in Kooperation mit dem Label WERGO.

Kammerszenario für zwei Vokalsolisten und Ensemble (2013)
Musik von Vito Žuraj
Konzept und Text von Alexander Stockinger

»Insideout«. Führt man das Wort im Munde, beginnen die Vokale schon zu zerfließen und die Verhältnisse werden durchlässig – »Insideout« – das Auge weiß nicht, wie ihm geschieht und wo es die Grenze ziehen soll, merkt schließlich, dass man die Dinge trennen muss, um ihren Zusammenhang zu verstehen.

Einiges spricht dafür, Manfred Wakolbingers Skulptur ebenso gut »Disconnection« wie »Connection« nennen zu können: Die Lage vor und nicht in der Stadt, vor der einst trennenden Mauer, an einem Fluss, der die Stimmungen und Verstimmungen des Ortes dauernd durchmischt, der die Stadtgrenzen ebenso schnell wieder verlässt, wie er in sie eingetreten ist.

Nur wer sich der Skulptur nähert, erfährt ihre ganze Wirkung. In nur einem Augenblick wird man hineingezogen, hinabgezerrt, verzogen, verbogen und ist drinnen statt draußen. Um das Menschliche kommt man nicht herum in diesem Wechselspiel von innen und außen, das Wakolbinger immerfort vermisst.

Menschlichkeit – Transformation – Trennung – Verbindung: Was, wenn nicht die Liebe, vereint diese Aspekte in sich? Seit Jahrhunderten buckelt die Kunst sich den Rücken krumm, dem Phänomen mit all seinen Kapriolen gerecht zu werden.

Er und Sie treffen sich wie der funkensprühende Komet das Wasser. Und dann die Detonation. Hoch wallt das Pathos!

»Insideout« zeigt die sich widerstrebende Pole und die dazwischen liegenden Gräben, die in waghalsigen Manövern überspannt werden müssen. Es herrscht ein Neben-, Gegen- und Miteinander von Farben, Materialitäten, Persönlichkeiten und Sprechweisen. Wie ein astronomisches Telefon ist Wakolbingers Skulptur aus der Höhe zwischen Ihn und Sie gefallen, um in diesem Durcheinander zu vermitteln. Sie ist drinnen, Er draußen; Sie spricht eckig, Er rund. Die Verbindung ist voll von Mäandern, Schlingen, Knoten, Windungen und Sackgassen! Kein Weg führt zueinander, aber doch auch keiner aneinander vorbei.

Ein Moment des Erkennens – sich selbst oder den anderen? Jener Moment ist der Hügel, von dem die Achterbahn hinab und zum nächsten Berg hinan rast. Doch sitzen die Liebenden im selben Wagen oder steuern sie bereits im Selbstzerstörungsmodus aufeinander zu? Erkennen, Apotheose, Apokalypse! Am Schluss schlingt es die Liebe gemäß den Grundsätzen der Gravitation in den Abgrund. Unangetastet bleibt dabei die Frage: Was haben wir uns zu sagen? Wie können wir es sagen? Und wen streicheln wir, wenn das Telefon schweigt?

Alexander Stockinger